Literaturnachweis: Mehilli, J., Duncker, D., Ahrens, I. et al.
Kommentar zu den Leitlinien (2022) der ESC zu nichtkardialen chirurgischen Eingriffen (NCS).
Kardiologie 2023 · 17:234–241. https://doi.org/10.1007/s12181-023-00615-2
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Autoren
Julinda Mehilli · David Duncker · Ingo Ahrens · Annette Birkenhagen · Michael Böhm · Jana Boer*
*Für die Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK
Zusammenfassung
Mit steigender Lebenserwartung durch Lebensstil und moderne medizinische Betreuung steigt auch die Anzahl kardiovaskulär erkrankter Patienten, die sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen müssen. Diese Patienten leiden oft neben kardiovaskulären Vorerkrankungen an Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Atherosklerose, Schlaganfall, Adipositas, Nierenerkrankungen oder Krebserkrankungen. Damit steigt das perioperative Risiko bei elektiven Eingriffen und besonders bei notfallmäßigen chirurgischen Interventionen deutlich an. Bei einer Zahl von 300 Mio. chirurgischen Eingriffen weltweit [1] kommt es zu mehr als 4 Mio. perioperativen Todesfällen. Eine klinische individuelle Risikobewertung ist deshalb essenziell. Besonders für Deutschland mit einem hohen Bevölkerungsanteil älterer Patienten ist eine Bewertung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei Patienten, die sich einem nichtkardialen chirurgischen Eingriff (NCS) unterziehen, wichtig. Die ESC hat nach 8 Jahren einen umfassenden Überprüfungsprozess der vorhandenen medizinischen Erkenntnisse und klinischen Studiendaten für das Management des kardiovaskulären Risikos bei Patienten mit NCS abgeschlossen [2]. Handlungsempfehlungen wurden angepasst und erneuert sowie neue Kapitel ergänzt. Faktoren wie Gebrechlichkeit, funktionelle Leistungskapazität fließen in die Empfehlungen ein. In der klinischen Praxis sollen kardiovaskuläre Biomarker sowohl bei der präoperativen Risikostratifizierung als auch bei der Identifizierung von perioperativen Komplikationen verwendet werden. Auch bei der antithrombotischen Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder der oralen Antikoagulation erfolgt abhängig vom Blutungsrisiko des geplanten Eingriffs eine zunehmende Individualisierung, angepasst an die neuen Leitlinien zum akuten und chronischen Koronarsyndrom. Ein standardisiertes Schema zur hs-Troponinbestimmung soll eine frühzeitige Erkennung peri- oder postoperativer Myokardinfarkte bei Risikopatienten ermöglichen. Die neue Leitlinie empfiehlt bei Hochrisikopatienten mit schwerer koronarer Herzerkrankung, Klappenvitien oder Trägern ventrikulärer Unterstützungssysteme die perioperative Betreuung im interdisziplinären Team.